"Denen, die irdischen Reichtum besitzen, schärfe ein, dass sich sich nicht überheben und ihre Hoffnung nicht auf etwas so Unbeständiges setzen sollen, wie der Reichtum es ist. Nur auf Gott, die Quelle alles Lebens, sollen sie ihr Vertrauen setzen, der uns alles in reicher Fülle zuteilt, damit wir es genießen sollen. Die Reichen sollen Gutes tun und reich zu werden suchen an guten Werken; darum sollen sie freigebig sein und Mildtätigkeit üben und sich so ein schönes Kapital ansammeln für die Zukunft. Dann werden sie sich ein Leben sicher, was wirklich ein Leben genannt werden kann.
Mein lieber Timotheus! Wache über das dir anvertraute Gut! Kümmere dich nicht um das leere Geschwätz und die Einwürfe der sogenannten 'Wissenschaft'. Manche, die sich 'Gelehrte' nennen, sind auf Wege geraten, die weit abliegen von den Wahrheiten, die der Glaube lehrt."
Meine geschätzten Brüder und Schwestern im Herrn Jesus Christus,
wenn wir von Reichtum sprechen, laufen wir Gefahr, von unseren, westeuropäischen Vorstellungen von Reichtum auszugehen. Über Lotterien und Einblicke in die Prasserei dekadenter Promileben, die uns Presse und Fernsehen präsentieren und damit den Neidfaktor erheblich steigern, bedeutet Reichtum ein vergnügungsvolles Leben und Geld im Überfluss!
Als ich einmal vor über 30 Jahren in meinen Haushalt ein Au-Pair-Mädchen, direkt von den Philippinen, aufnahm, bestaunte sie minutenlang Küche, Bäder und Zimmer meines eher bescheidenen Häuschens und auf meine Frage, was denn so bestaunenswert sei, antwortete sie: "Du bist reich!"
Seitdem sehe ich unseren gewohnten Lebensstandard, das, was wir für i normal und nicht überwertig halten, mit anderen Augen; mit Augen wie die eines Menschen, der nichts oder kaum etwas von dem besitzt, womit wir den Alltag gestalten und was uns nicht neu und eindrucksvoll genug sein kann. Viele von denen, die,wie mein Au-pair-Mädchen von damals,aus unvorstellbar einfachen Verhältnissen kommen, findest du nicht nur auf den Straßen hockend, vor Kirchen stehend oder ab und zu an Haustüren klopfend, bittend, um eine milde Gabe, sondern ein Großteil von ihnen erkennst du an den trau-
rigen Augen, an dem unsicheren Blick, wenn du sie nachdenklich anschaust. Ja, manche von ihnen schämen sich ob ihrer Armut und werden kaum fertig mit all dem Überfluss von Wohlstands- und Konsumregeln einer Umwelt, die Bettler und ausgehungerte Mitmenschen manchmal pauschal für nichtbeachtenswert hält. Du kannst sehen, wie manche der zur Shoppingmeile gehörenden Passanten da und dort einen Euro, vielleicht auch weniger, in hingehaltene Plastikbecher, in Hüte und bittende Hände einsenkt. Schau genau hin, und du siehst so etwas wie Verlegenheit, als wäre es etwas Unanständiges, sein Kleingeld abzugeben. Und schau genau hin, und du siehst so gut wie kein Spendergesicht lächeln!
Dabei wäre es ein Lächeln, ein freundlicher, verstehender Ausdruck, der im Gedächtnis und Herzen des Armen in Erinnerung bleibt und ganz sicher stärker wärmt, als die Münze.
Geschwister, auch die Art und Weise, wie wir unseren Obolus entrichten, kann als Überhebung, statt als Mitleid und Barmherzigkeit, empfunden werden. Niemand, der als reich gilt oder sich als solches wähnt, sollte seine Hoffnungen, und seine Vorstellungen von Absicherung,auf Geld und Gut gründen. Das nämlich, so wissen wir doch im Grunde alle, wäre sein Selbstbewusstsein auf Treibsand gesetzt zu haben! Das Irdische vergeht, ist unbeständig und - so der gültige Fakt für jeden: Das letzte Hemd hat keine Taschen! Hinzu sollte jeder begüterte Mensch bedenken, dass ohne Gottes Zutun oder ohne Seine Gewährung, nichts von alledem beim Individuum wäre, worauf es stolz ist es zu besitzen. Mag sein, dass der jüdische Glaube jenen Menschen für besonders gottgesegnet einstuft, der sich im materiellen Sinn reich nennen kann. Doch glaubt mir: Ein Segen, bezogen auf Materielles, ergibt sich erst aus der Verwendung desselben! "Die Reichen sollen Gutes tun" fordert uns die Lehre auf. Du sollst auf Gott, "die Quelle allen Lebens" dein Vertrauen setzen und nicht auf die Imposanz eines Kontoauszugs, so hören wir. Doch Gottvertrauen mit leeren Taschen oder Kummer im Herzen ist gewiß schwer. Und doch ist es eine der edelsten Prüfungen auf Gottvertrauen, die uns gegeben werden kann. Der Reiche hat gut Gott danken, so mag mancher denken - und muß damit nicht unrecht haben. Doch dankt der Reiche auch Gott? Er schuldet dem Höchsten sein Vertrauen!, schon deshalb, weil Gott ihm, dem wohlhabenden Menschen,in seiner Barmherzigkeit vertraut! Es ist die große Chance, als Habender Mildtätigkeit zu üben "und sich so ein schönes Kapital" anzusammeln für eine Zukunft, die jenseits unseres Erdenlebens auf jeden von uns wartet. Doch der Barmherzige, der mit seiner Mildtätigkeit eine Nächstenliebe beweist, die er durchaus verspürt und die mit Selbstüberwindung verbunden ist, jener baut sich eine Straße in das wirkliche, das geistige Leben,nahe der Heiligkeit!
Jeder hat seine Möglichkeiten, der eine kann mehr, der andere weniger geben. Doch worauf es ankommt ist die Gesinnung dabei, das Mitfühlen mit Menschen, die alle Brüder oder Schwestern sind, denn sie alle sind von Gott geliebt.
Unser Volk, Geschwister, ist ein Volk der Vorbeuger, der Absicherer, der Risikominderer, denn es gibt kaum etwas aus unserem Lebensspektrum, was nicht durch Versicherungen oder Anhäufung von Kapital abgesichert werden kann. So ist es vermeintlich. Wir trachten danach, einen guten Lebensstandard zu erhalten und investieren in das, was uns Sicherheit - im Alter und möglichst schon davor - verspricht. Das kann man verstehen. Doch stecken da in Wahrheit nicht große Ängste dahinter? Ängste vor dem Unvorhergesehenen, vor unliebsamen Überraschungen, vor Zusammenbrüche, Rezessionen, Börsencrashs, Bankenpleiten, auch Arbeitslosigkeit und Eigentumsverluste durch alles, was es feindselig auf unser Geld, unser Hab und Gut abgesehen haben könnte. Angsthasen sind wir nicht, denn dies oder
jenes kann ja tatsächlich passieren. Prognosteure, wissenschaftliche Berechnungen und Vorausschauungen, Trends und "Absehbares" an Ungünstigkeiten mahnen pauschal und recht überzeugend die Prävention an: Rette dein Geld, sichere deinen Lebensplan!
"Kümmere dich nicht um das leere Geschwätz und die sogenannte 'Wissenschaft'" rät der Apostel von damals seiner Führungskraft, denn Paulus weiß, dass ihm, dem Timotheus, von Gott etwas wirklich Wichtiges, als schützenswertes Gut anvertraut worden war: Menschen. Menschen, die sich in Gottvertrauen üben. Menschen, für die das gute Werke keine Ausnahme ist, für die Nächstenliebe nicht nur ein Wort ist. Menschen, die sich - wie du und ich - im Glauben befinden und nicht den Vöglein nachstehen wollen, die sich nicht um ihr Auskommen sorgen, sondern fröhlich den Morgengruß gen Himmel singen, das ihre tun was die Natur befiehlt, und doch Gott machen lassen. Und Er versorgt sie.
Tun wir das Unsrige, liebe Brüder und Schwestern. Danken wir dem Herrn, dass wir lernen dürfen Ihm zu vertrauen, denn ein Geschöpf ohne Vertrauen ist wie ein Gefäß ohne Inhalt.
Und wem Gott "in reicher Fülle" mehr als er braucht zugeteilt hat, der möge sich die schöne Erfahrung verschaffen, wie ungemein befriedigend es ist, abzugeben und zwar ohne Wenn und Aber. Dann, oh reicher Mensch, kannst du genießen was dir gegeben ist, denn daraus erwächst der Dank an den, von dem alles Gute kommt.
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