Röm. 14:13

“Darum laßt uns nicht mehr einer des andern Richter sein, seid vielmehr darauf bedacht, dem Bruder keinen Anstoß und keine Veranlassung zur Sünde zu geben.”


Predigt:

Liebe Gemeinde,

es mag keine Alltäglichkeit sein eine Predigt zu hören, die sich auf nur einen Vers bezieht. Und doch liegt in der Befolgung dieser kurzen Lesung der Unterschied zwischen Lieblosigkeit und Interesse, zwischen Anstand und Vorverurteilung, zwischen Verführung und Beistand!
Mehr noch: Würde sich die Welt der Mächtigen an diese Worte halten, gäbe es keine Selbstgerechtigkeit, keine Provokation und keinen Streit  - im breiteren Rahmen Krieg genannt. So wichtig ist das, was Paulus die Römer wissen ließ und wozu wir gleichermaßen aufgefordert sind.

Wenn es heißt: "laßt uns nicht mehr einer des andern Richter sein", dann haben wir die Richterrolle bereits gespielt, haben quasi zu Gericht gesessen über Mängel, Fehler oder anderem, was uns an irgend jemand nicht gefiel. Wer  aber soll uns autorisiert haben, eine Anklage zu gestalten? Wer soll uns in die Position eines Richters, einer Richterin gebracht haben, wer soll den Richterstuhl mit uns besetzt haben, von dessen Bedeutung das Alte Testament, der 8.Vers von Sprüche 20 kündet: "Ein König, der auf dem Richterstuhl sitzt, macht, mit seinen Augen sichtend, alles Böse ausfindig."?!
Ihr seht, meine lieben Brüder und Schwestern, es gehört mehr als Kritikvermögen, Uneinverständnis    mit   Meinungen    und   Handlungen   anderer  oder Vergeltungsgedanken dazu, um einen Richterstuhl, um die Verantwortung eines der Gerechtigkeit verpflichteten Menschen, für sich zu beanspruchen!
Wir alle erliegen immer wieder der Versuchung, uns über angebliche Unarten, über Mißgriffe und Greueltaten anderer, richtend auszulassen. Genau gegen diese Selbstgerechtigkeit, gegen die erschreckende Ahnungslosigkeit gegenüber der eigenen Unvollkommenheit und Mangelhaftigkeit, gegen die Verglorifizierung der eigenen Person, mahnte Jesus in seinem Volke an.
Wer werfe den ersten Stein in einer Sache? Wer dünkt sich besser und glaubt daraus die Berechtigung beziehen zu können, den Andern nieder zu machen? Wer von uns? Wer von den anderen?

Weder Paulus, noch Jesus predigen die Kritiklosigkeit, die Unterdrückung eigener Meinungsbilder. Keiner von beiden und auch ich verhehlen die Empörung: über Untaten und Greuel von Verbrechen, über Perversitäten mancher, nicht; werden unruhig bei der Eiseskälte einer Welt, die mancher Mensch in sich verpersonifiziert zu haben scheint.
Da reizt es freilich den ersten Stein zu werfen, anklagend mit dem Finger auf den vermeintlich schlechteren Menschen zu richten. Merken wir uns, Liebe Brüder und Schwestern im Herrn, wer mit einem Finger auf jemanden zeigt, auf den zeigen drei Finger zurück!

Natürlich dürfen wir unsere Mitmenschen erkennen  - und damit auch ihre Fehlerhaftigkeit.
Natürlich darfst du wenigstens grobe Fehler ansprechen - schon um dadurch womöglich weiteren Schaden zu vermeiden.
Natürlich hat jemand, der für uns Bedeutung hat. die konstruktive Kritik verdient; wie sonst und wodurch sollte mancher lernen können? Konstruktive Aussagen möchten helfen, warnen, vor Schaden bewahren, möchten aufbauend wirken.
‘Der Ton macht die Musik’, wie es so schön heißt. Wer andere aggressiv anmeckert, Unterstellungen in den Raum stellt und keine Rechtfertigung, keine Erklärung anhört oder gelten läßt, wer sich also über den anderen stellt und dies womöglich in hochmütiger, besserwisserischer und selbstherrlicher Weise, darf sich über eine ‘Reflexion im Negativen', um es einmal psychologisch zu sagen, nicht wundern. Druck erzeugt Gegendruck, wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus, nicht wahr? Also: wenn wir schon ein klärendes Gespräch finden können, dann sollten wir nicht unsere eigene Unzulänglichkeit, unsere eigene Unfertigkeit und unsere eigenen Sünden vergessen. Das macht uns dann zu Partnern in einer Sache, in der einer dem anderen hilft und sich keiner für besser hält. Das wiederum fördert entscheidend die Glaubwürdigkeit des Kritikers; des Kritikers, der nicht daran denkt, sich zum Richter aufzuspielen!

Liebevoll sollst du reden mit dem anderen. Nicht ihn niederquasseln, ihn niederschreien, ihn kleinmachen. Schau, er ist doch dein Bruder, sie ist doch deine Schwester, ach, würden wir  Christen uns doch dieser geschöpflichen Verwandtschaft öfter erinnern... Sind wir doch ein Netz in Christus unserem Herrn, sind wir doch 'Glieder seines geistigen Leibes' wenn, ja wenn wir uns als solche verhalten und seiner würdig erweisen! Dies, meine Lieben, geht nur in Liebe, in Verständnis, Güte, Toleranz und mit viel Einfühlungsvermögen!

Hat Jesus Christus je eine Schuldzuweisung vorgenommen? Hat er sich nicht eher beklagen lassen, als selber zu klagen? Hat er nicht vielmehr unsere Schuld auf sich genommen und mit sich ans Kreuz nageln lassen? Ist nicht unsere größte Schuld dadurch mit ihm gestorben? Für alle ist er, der doch vom Höchsten sogar den Richterstuhl eingeräumt bekam!, im Leid gestorben: für Sünder aller Art, für Uneinsichtige, Wiederholungstäter, Gottesleugner, kleine und große Schwächen unserer. Alles hat er getan, über sein irdisches Erlösungswerk, nur nicht gerichtet! Damit hat er sich zum größten Vorbild bestellt und fordert uns auf, es ihm in Güte, Vergebung und Nachsicht gleichzutun.
"Ich vergebe allen, die sich gegen mich versündigt haben", kann mein Gebet sein und: "Ich verzichte auf jede Bestrafung für die, die sich gegen mich verfehlt haben". Damit, liebe Christengemeinde, hätten wir ein Zeichen wahrer Nächstenliebe gesetzt, einen Beweis von Reife, das Gott sicherlich gerne zur Kenntnis nimmt.

Wir sollen uns vorbildlich benehmen und "darauf bedacht sein, dem Bruder keinen Anstoß und keine Veranlassung zur Sünde zu geben." Wer einen Streit anzettelt, der stichelt den vermeintlichen Gegner an und schon  ist eine unschöne Balgerei, verbal oder wie auch immer, im Gange! Wir sollten auch hier nicht den ersten Schritt machen; Abwehr heißt die Tugend, derer wir uns in Provokationen zu bedienen haben. Es kann weise sein, sich nicht auf die Auseinandersetzung einzulassen, die Provokation zu ignorieren! Nur wer den Ball annimmt, kann verlieren, liebe Brüder und Schwestern. Darüber sollten wir einmal nachdenken, bevor wir wieder einmal zu vorschnell reagieren.

Der Alltag bietet genügend Möglichkeiten, friedlich zu bleiben und Mitmenschen nicht zu häßlichen, zu unguten Gefühlen, Worten und Taten zu verleiten. Andernfalls würden wir zur Sünde der Unfriedlichkeit verleiten!
Hacken wir also nicht ständig auf den Schwächen anderer herum, lassen wir sie in Frieden dann, wenn der Streit vorprogrammiert ist.
Vermeide Reizthemen, die nur in heiße Debatten führen und Zorn aufkommen lassen.
Hören wir auf, anderen ihre alten Fehler ständig aufs Brot zu schmieren. Das möchtest du nicht - und andere ebenfalls nicht.
Verführe aber auch andere nicht zu Dingen, die einfach nicht gut, die schädlich und unnütz sind und dem Schaufenster dieser Welt entnommen sind. Im Klartext: Verführe den Schwachen z.B. nicht zu einem Konsum, begeistere ihn nicht für Unwertigkeiten, die nur geschaffen sind uns in Unruhe und Unzufriedenheit zu versetzen; mache dich nicht zu einem Verführer!

Mit unserem Christsein haben wir uns für ein Miteinander in gleicher Augenhöhe entschieden, haben uns verpflichtet, dem Nächsten eine Wohltat und nicht stiller Vorwurf, ein lebendiges Verständnis und nicht strafend zu sein. Keiner warf den ersten Stein; als Jesus dies auf seine Art vermittelte, weil da doch ein Gewissen angesprochen war. Und genau diese 'innere Stimme' möge uns auch künftig vor Überhebung bewahren und uns fördern, dem Nächsten eine liebevolle Begleitung und nicht Verführer zu sein.
Dafür möge Gott der Herr uns die Kraft Seines Segens verleihen. Amen.

 

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